Gedichte 2008 / 2010 - Die Aufräumung



Die Stadt dampft gelassen


Die Stadt sie dampft gelassenen
Schleier legen Atmen auf den Abend
Aus dem Asphalt schlagen Blasen
Gefüllt mit geronnener Sehnsucht

Und ein Herz schlägt durch die Straßen
Stimmen reden mir Gewissen ein
Am Straßenrand da liegen Träume
Verloren auf dem Weg zu dir und deinen Wünschen

Die Stadt sie dampft nach warmem Regen
Meine dünnen Schritte enden hier
Ich leg mich zwischen Kieselsteine
Mag nicht mehr denken ohne dich

Meine Hände graben sich in die Decke
Aus geronnener Sehnsucht
Und ich bestreiche mein Herz mit ihr
Um das schnelle Schlagen zu dämpfen

Aber nichts ändert sich alles bleibt hier
So sehr ich mich auch winde
Die Schmerzen im Magen sind mehr
Als ein Bauchgefühl mit Kopfschmerz

Ich will zu Dir und hülle mich in den Schleier
Aus Atmen und bin Dir nah
Die Stadt dampft gelassen
Und beobachtet mich


Eisgrau die Wand vor mir


Eisgrau die Wand vor mir
Ich friere an ihr fest
Mit dem Brustkorb dran gepierct
Den Schädel kahl geschoren

Die Augen stumm in ihren Höhlen
Der Mund trocken und aus Glas
Splitter in den Händen
Tränen in den Achselhöhlen

In den Höhlen deiner Zunge
Die mein Haar durchfährt
Die mir Speichel leckt
Die mich wärmen lässt

Deine Hände reißen mich
Von dieser eisig rauen Wand
Zu dir will ich mich finden
Und kann es nur durch dich

Ein Teil von mir bleibt an der Wand
Hautfetzen meiner Tage
Die Wunden heilst du mir
Mit Blicken deiner blauen Augen


Silberstreif am Horizont


Lametta hängt in meinen Tagen
In dünnen Streifen teilt es die Stunden
Kräuselt sich um die Minuten
Lässt das Suchen glitzern
Und legt sich raschelnd unter meinen Fuß

Der im immer gleichen Abstand Kreise dreht
Schneller als der Zeiger meiner Uhr
Der sich in den Silberstreifen verfängt
Die vom Horizont zu mir kamen
Und dich nicht mitbrachten

Das Zimmer füllt sich mit Lametta
Es wird immer mehr und immer heller
Wenn ich schneller laufen könnte
Würdest du das Leuchten sehen

Den Silberstreif am Horizont


Lautlos und


Die Nacht fällt über mich
Wie der ausgezogene Socken vors Bett
Lautlos und endgültig

Und in meinem Kopf hängt
Immer noch ihr Geruch
Lautlos und schön

Der Geruch der mich taumeln lässt
Der mich willenlos macht
Lautlos und immer wieder

Und ich sehe noch die Schweißperlen
Die ihren Arm hinunter rollen
Lautlos und feucht

Und ich höre mich noch einatmen
Tief in mich diesen Duft
Lautlos und betörend

Wenn ich ihn nur halten könnte
Bis zum blauen Morgen
Lautlos und in mir

Möcht zu gern meinen Kopf vergraben
In ihren Achselhöhlen
Lautlos und sanft

Und nie mehr diesen Duft vermissen
Der mich so sehr zu ihr zieht
Lautlos und stark


Spinne ein Netz


Spinne ein Netz
Aus Geschichten
Um deine Tage

Webe einen Teppich
Aus Zärtlichkeit
In deine Nächte

Nähe die Decke
Unter der wir
Stecken

Flechte das Seil
Das uns
Binden kann


Das Heiligtum


Das Heiligtum
Das mir gelegen kam
Bist du
Und dich nur will ich beten
Dich nur will ich sehen

Das Heiligste
Dem jedes Lied ich sing
Liegt in dir
Lass mich dir als Opfer bringen
Was ich für dich denk

Das Heiligste
Das mir verheißen ist
Ist deine Gegenwart
Und du nur
Bist der Himmel mir


Schmetterling


Jetzt schwirrt der
Schöne Schmetterling
Neugierig um mich rum
Atemloser Flügelschlag
Und vieles neu in seiner Welt

Von oben sieht er mich
Betrachtet mich von vorn
Tausend Fragen stellend
Kommt er näher

Komm setze dich auf mich
Du schöner Schmetterling
Ich trage dich durch diese Welt
Wenn deine Flügel schmerzen

Und alle deine Fragen
Werden Antwort finden


Auf dem Weg


Der einsame Weg
Aus steinigem Gewissen
Der tief in meine Füße schnitt

Nichts zu glauben
Und Unruhe im Kopf
Gedankenpingpong ohne Sieg

Das Gewissen aufgerieben
Und eine Schicht auf dem Weg verteilt
Eine Schicht aus
Zuversicht und Zuckerguss

Den Weg weitergehen
Direkt auf dich zu
Auf deinem Lager nur
Die Füße kühlen
Und die Wunden
Umsorgt von dir


Willkommen


Ich lehne mich an deine Tapferkeit
Stehe mit dir am Herd
            In der Gerüchteküche
Und jeder Kuss
Macht unsre Rücken breiter

Die Hände halten fester
Sie brechen fast
Die Zeigefinger
            Sehen wir nicht
Nur
Die offene Hand
Die man uns hinhält

Wir sind willkommen
Welt wir sind jetzt da


Wenn wir explodieren


Wenn wir explodieren
Sind wir dann ein Stern?
Und sind dann ferne Galaxien
Gar nicht mehr so fern?

Können wir am Himmel
Leuchten wieder jede Nacht?
Haben wir durch unsre Hitze
Überirdisch Macht?


Wenn wir uns verzehren


Sinnlos sich davon zu schleichen.
Unmöglich sich zu wehren.
Wie viel können wir erreichen
wenn wir uns verzehren?

Wenn wir uns verzehren,
küssen, essen, trinken, träumen,
las mich dich doch nur verehren,
himmelhoch sich aufzubäumen.

Aufzubäumen und den Himmel fassen,
senkrecht stehn der Fackel gleich,
alle Ängste fallen lassen -
im Morgengrauen sind wir reich.

Reich an uns geworden, unsrer Haut
das letzte abverlangt, am Ziel,
Stück für Stück noch mehr vertraut
und gelacht während man fiel.

Die Hände auf den Rücken,
festgehalten aneinander nur
und den neugierigen Schnecken gleich
folgen wir der feuchten Lakenspur.


Da sein


Gedunsenes
Geschwätz
Über den zungen
Derer die daheim
Geblieben sind
Ohne tage
Steht hilflos
Im raum
Bereit in ein hirn
Zu kriechen
Das noch nicht
Gesättigt ist
Mit leeren worten
Mit dummheit
Mit kalter luft
Und mit tagen


Der Schnee


Der Schnee unter meinen Schuhen,
der seit heute Nacht unter mir liegt,
verdrückt sich, macht sich rar,
versteckt sich im Profil,
quetscht sich durch die Kanäle,
wie eine kalte Schlange, die zu
entkommen versucht – ungesehen.

Züngelnd taste ich meinen Weg,
die Nase in der Luft, Hände in den Taschen,
Schnee unter den Schuhen und Nässe
im Haar – so wie ich.

Ziehe die Schuhe aus, Kälte greift mich an
und ich sehe wie der Schnee
zwischen meinen Zehen hindurch
versucht zu mir nach oben zu gelangen,
indem er sich durch die Zehen quetscht
versucht er mir das Hirn auszukühlen,
damit ich, schlangengleich, plötzlich
zuschlagen kann.

Plötzlich, unerwartet und kalt.


Vergeblich


Vergeblich versucht dem gleitenden Flug
der wilden grauen Gänse zu folgen,
vergeblich in die Sonne geschaut,
vergeblich versucht mich neu zu finden.

Dreh mich im Kreis – die Haare im Wind
bis alles in bunte Schlieren aufzulösen ist,
vergeblich darin ein sachtes Muster gesucht,
das mir ein wenig ähnelt oder gleicht.

Sehe die alten Fotos, schlecht sehe ich aus –
heute und vergeblich versucht mich anzunähern,
an ein ideales Bild von mir das ich mir ersah,
vergeblich versucht – vergeblich.


Zum ersten Mal


Fühle mich so herbstzeitlos gedrungen,
so wirr im Kopf und flach im Wort,
zum Sterbenwollen durchgerungen
wäre schon recht viel für diesen Ort.

Zu viel für all die Zeit die mir vergeht.
Ich bemale mein Gesicht mit Schwarzkajal.
Meinen Samen hat der Wind verweht.
Hier ist der Schluss, zum ersten Mal.

Zum ersten Mal am Rand der Klippe stehen,
der Blick betört getrübt durch Tränenlast,
vor Freude: alles weg! Kein Kummer mehr zu sehen.
Man lässt sich fallen – völlig ohne Hast.


Die Plage


Ein schwerer schwarzer Vogel steigt
hoch über meine nassen blassen Tage
und von oben hört er messerscharf
was ich vorsichtig mich selber frage

Ist dieser Vogel gar meine dunkle Seele
Bin nun ich tatsächlich in der Lage
tagsüber ein schmales Opfer nur zu sein
und dann nachts bin ich´s der jage

Ich jage mich selber und fasse dann mich
im warmen nackten Nacken unter lauter Klage
und bin so völlig überrascht von dem
was quälend quellend aus mir tritt zutage

Die zwei Seiten meiner Selbst erscheinen
breiten sich vor mir aus zum großen Gelage
und sie sollen verschwinden doch nie
bleiben auf ewig meine innere Plage


Der Morgen eines Tages


Wasser wellenhoch
weit über aller Tage Anfang
weit über aller Wege Lohn
und aller Sorgen Alltag
fließt durch
mein Ohr in meinen Kopf
durch mich hindurch
und sammelt sich als schmutziges
Rinnsal unter meinen dreckigen
Füßen die ich gedenke zu waschen
in der Morgensonne
die den Tau aus den Blättern treibt
die zu schwitzen scheinen
vor Angst was sie erwartet heute
denn aller Sorgen Anfang
ist der Morgen eines Tages


Bald!


Und fällt mir auf den Kopf
Der schneebedeckte Gipfel dieses Berges
werde ich atmen den Geist
der unter dem Gletscher zermalen wird
im Lauf der Zeit die Kugel
durchbricht das Sonnenlicht im Morgengrauen
und bin ich bald am Ziel
einen Eisprung weit das andere Ufer
so unerreichbar nah
und eh der Tag zur Neige gekippt wird
zerspringt mein Tageseinerlei
in tausendfaches Feuerwerk


Erster Blick


Tageshelle fällt
Dein Bild mir
In die Hornhaut
Blitz getroffen
Angewurzelt
Bis zur Seele aufgerissen

Weizenrot
Und Feuerblond
Hochgewachsen stille
Träumerei beide Augen
Sehen zu mir nieder
Liebe auf den
Ersten Blick


Das Feuer aber


Da zieht der alte Rauch aus
Rotgebrannten Ziegeln ab
Ein Stück weit weg dem Himmel zu
Ein kurzer Luftzug kappt
Die Sehnsucht nach der Ferne

Sich drehend schwindet gräulich
Der Duft des schwarzen Holzes
Der Wärme mich erträumen lässt
In dein Herz dein stolzes

Dein Stolz mich hier zu halten
Als Feuerwächter treu zu dienen
Dir einfallsfrei nur Nähe geben
Las uns das Feuer nicht erkalten

Da zieht der alte graue Rauch aus
Rotgebrannten Ziegeln ab
Das Feuer aber bleibt


ich greife mit der einen


hand in die leere
in der anderen
rinnt mir
der treibsand durch
die finger
und ich suche
mich zu halten
sand rieselt in
meine augen
und ich sehe nichts
brenne nach innen
spucke blut und sand
aus meinen lungen
und gleite weiter
in die tiefe
kann mich
nicht
mehr halten
falle
rutsche
stürze
in
die
tiefe
immer
schneller
immer
tiefer
um
auf
der
anderen
seite
zu
mir zu finden
neben mir zu stehn


ich liege als


das blatt papier
vor dir
um von dir
beschrieben
zu werden
mit tinte
blau wie ich am vormittag
tief durchdringend
bis zur rückseite
meiner baumwollhaut
tief aufweichend
den abstand zwischen
dir
mir
und dem untergrund
erkennbar
und durchschaubar
durch das blatt
vor dir
zerreiße ich
unter der last der
tinte


als durch dich das licht kam


bin schneesturm durch die tageszeit
der weiße schleier dieser stunde
sind die tränen näher dir als weit
leg ich meinen finger in die wunde

drück noch tiefer drehe ihn in dich
bis hinter deine rotgestreiften augen
will damit sehen mich durch dich
werd zu nichts mehr taugen

seh mich abgerissen ausgebrannt
nicht mal mitleid spricht aus dir
waren wir einmal verwandt
lieg ich nun allein bei mir

schneebedeckt mein zarter leichnahm
steif und kalt um diese stunde
als durch dich das licht kam
lief kein blut mehr aus der wunde


jetzt


jetzt wo wieder
schweißnass haare
an den schläfen kleben

ist wieder sommer
in den hüften
ist wieder liebe in den leben


ich durchstreife diesen weiten garten


ich durchstreife diesen weiten garten
wohl wissend den ausgang nicht zu finden
und auch nicht finden wollend gehend
denn auf ewig möcht ich herrlich wandeln
in diesem einen leben aus sich gehen
aus dem brunnen trinken der belebend
mein trocknes inneres benetzt
nach außen kehrt meinen blick sich
zu lange in mir selbst geruht
in mich selbst hineingeschaut
und atmen diesen letzten duft
der mich gleich verheißen lässt zu sehen
den weg den ich gehend in mich lasse
ach wohl ewig möcht ich leben


einen fuß vor den nächsten


einen fuß vor den nächsten
einen eigenen gedanken fassen
sich selber an die hand nehmen
mit dem kopf schütteln
und das schwindeln aushalten

zu boden sehen
nach rechts schauen
nach links linsen
nach hinten lucken
in die sonne blinzeln

vielfältig das was bewegen kann
nutzen und gehen und leben
immer weiter lebend sehen
das was vor uns ein ziel sein kann

auf eine begegnung hin
immer weiter darauf zu
wieder und wieder
tag um tag
einen fuß vor den nächsten


Verwischt sind die Farben


Verwischt sind die Farben des Winters
Vorbei die wollene Zeit
Mit den leisen Sonnenstrahlen
Kommt langsam die Fröhlichkeit

Wieder in die Herzen der Menschen


Das schwarze Pferd


Ein starkes schwarzes Pferd
Fest angekettet an meinem Herzen
Läuft im festen Galopp
Es mir heraus zu reißen

Weder weiß ich wem das Pferd gehört
Noch wer die Kette schmiedete
Weiß nicht wer sie ums Herz mir band
Weiß nur und hör es auch
Das Pferd antreiben mache ich


Bücher


Zentimeterdick liegt der Staub
Auf den alten Büchern
Die zu lesen ich nicht verdiene

Zu groß die Ehrfurcht
Vor den geschriebenen Wörtern
Dieser großen Dichter

Zu groß die Hoffnung
In den Geschichten zu versinken
Zu verschwinden in einer anderen Zeit
Der Zeit der Millionen Buchstaben

Zu verschwinden in den ungelebten
Träumen dieser Zeit
Dieser Bücher


Ein kurzer Tag


Voller Vorsicht
Bricht der Tag über mir
Sein Brot
Das in kleinen Krumen ich
Zwischen meinen Zähnen fühle
Hin und her gewendet
Eingespeichelt jedes Korn
Ein kurzes Schlucken
Ein kurzes Schmecken
Ein kurzer Tag
Der sein Brot mir überlässt
Ein kurzer Tag
Zum hin und her sich wenden
Ein kurzer Tag
Für wenig Brot


meine dunklen träume


doch etwas schmerzhaft kriechen sie heraus
aus meinem dunkelgrauen seelenkauderwelsch
um sich endlich wieder mir zu stellen
sich mir auch entgegen zu stellen
meine dunklen träume
meine wildesten wünsche
meine unerfüllten hoffnungen
lachen mich an oder aus
wer weiß das schon genau von sich
aber sie zeigen sich mir endlich wieder
offenherzig und verständniskühl
sind sie wieder da
stehen vor meinen augen und händen
und ich beginne mich ihnen zu widmen
beginne wieder in ihnen zu lesen
mit ihnen zu leben
und zu lieben
mit meinen dunklen träumen


die schlachten sind


die schlachten sind
die männer auch
geschlagen
kopflos irren
und liegen sie umher
herum
drum herum
die köpfe auf silbernen
tabletten
hilflos dagegen
kopfschmerztabletts


er hält mich


der griff deiner hände
die mich in dieser
welt halten
ist fest
und unnachgiebig

er schnürt mir die luft zu
schickt mich in träume
und nimmt mir die brise
zum atmen

er würgt mich und
verschwimmt mich
er lässt mich kaum
leben atmen
er lässt mich kaum
leben erfahren

aber er hält mich
im leben


Deutschland


mein freier wille ist gebrochen
eingegipst und betoniert

meine freie meinung ist zerbrochen
durchgestrichen zugeschmiert

meine freiheit ist verkrochen
schwarz rot golden angeschmiert


Die Aufräumung


Die Schädeldecke hochgeklappt
Die Ohren auf Durchzug gestellt
Und die Zunge mit den Lauten in den Wind gehängt

Tief hinein mit dem Pinsel der Fantasie
Und in allen Ecken des Hirn Staub gewischt
Vertrieben die Spinnen aus ihren gewebten Heimen

Durchgeblasen den Hohlraum der Lüste
Alles As und Os aufgefädelt und wieder angehangen
Außen und innen geputzt und gewienert

So ist der Frühjahrsputz der Gedanken
Die Schneeschmelze der bedrückenden Sorgen
So ist die Aufräumung meiner Seelenruhe

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