Gedichte 2002 / 2003 - Blockadehaltung



Ruhe


Ich hab den letzten Zug verpasst
die Jugend ist schon abgefahren
was bleibt ist alterndes Delirium
in den noch bleibnen Jahren

Ein schleppender siechender Gang
und ganz sicher auf das Ende zu
Die Grube ist schon ausgehoben
Ich hoff dort find ich endlich Ruh

Ruhe vor den dunklen Träumen
die mein Seelenheil zerrieben
Ruhe vor den geilen Lüsten
Die mich immer vorwärts trieben

Ruhe vor den vielen Brüsten
die ich halten durfte in der Zeit
Ruhe vor so vielen Augen
die mich sahen groß und weit

Ruhe vor verschwitzten Tagen
nicht zu wissen wo führt´s hin
Ruhe finde ich wohl nur
wenn ich in der Erde bin

04.11.02



Trauerarbeit


Du leistest deine schwere Trauerarbeit,
obwohl ich noch nicht gestorben bin,
und ich frag mich allen Ernstes:
Führst du mich nun dort hin?

Führst du mich auf die dunkle Seite?
Oder ist sie hell? Wer weiß das schon?
Ich wünschte du kämst mit mir.
Sagte ich das schon?

Sagte ich dir auch, das ohne dich
Das Leben sinnlos ist und leer?
Erinnerst du dich noch an unsre Schwüre?
Es scheint du weißt davon nichts mehr.

Wir schworen uns Treue bis in das Grab!
Die Liebe sollte ewig dauern.
Statt dessen trennten sich die Wege
Und wir üben uns im ehrlich trauern.

Ich halte mich an meinen Schwur:
Ich bin dir treu bis in mein Grab.
Und kannst du mich auch nicht begleiten
So weiß ich doch das ich dich hab.

04.11.02



Spielverlaufsbericht


du machtest
meinen kopf zu einem spielball
der immer wieder in die ecke ging
ein strafstoss nur im spiel des lebens
und platzverweis als zeitvertreib

die letzte rote karte haben wir
erst viel zu spät gesehen
und mit gesengtem haupt
den tränen nah
müssen wir vom spielfeld gehen

05.11.02



Wenn ich einen Strick hätte


Wenn ich einen Strick hätte
dann könnte ich einen filigranen Knoten knüpfen
und mich aus dieser Scheiße ziehen

Ich könnte mich aber auch
aus der Scheiße ziehen

Wie auch immer
es kommt aufs Gleiche raus

06.11.02



Du warst der Brandbeschleuniger in meinem Bett


Du warst der Brandbeschleuniger in meinem Bett,
das lodernde Feuer das meinen Körper fraß.
Du warst der Waldbrand meiner Seele,
das Streichholz das der leise Tod vergaß.

Du warst der Rauch der mich erstickte,
der meine Lungen eisern schnürte.
Du warst der Kopfschuss aus der Nähe,
den ich schon im Fallen nicht mehr spürte.

Du warst der Rest den ich mir gab,
das letzte was ich sah auf dieser Welt.
Und sei es drum: Kopf hoch!
Auch wenn man langsam glühn´d verfällt.

06.11.02



Gegen die Schreie


die schreie aus deinem magen
die hinauf hallen
bis in deinen schädel
                dieser resonanzraum der angst
                diese höhle des nichts wissen
                dieser lehrraum der besinnung

diese schreie sind die hände
die nach mir greifen
ohne das du es
                wirklich verstehst

sie sind der halt
den deine schläfen suchen
sie suchen die hände
die sie streicheln
                gegen den schmerz
                gegen die schreie

26.11.2002



Mich


du siehst ihn
du triffst ihn
und deine augen
werfen feuchtigkeit aus
deine stimme belegt sich
mit einer schicht
aus ängstlicher ungewissheit

und bevor du zerfließt in ratlosigkeit
im hin und her gerissen sein
erbrichst du diese schicht
und deine stimme klärt sich
deine augen trocknen
und du sagst was du willst

mich

26.11.2002



er ist da


ein leichentuch
deckt uns zu
durchtränkt von dem hass
der in mir schlägt
mich aufwühlt
dich zum reden bringt
durchtränkt
von dem wissen
das andere hände deinen körper
berührten
andere augen diese formen sahen
und wie tief ich auch sinke
er ist da
er ist zwischen uns
und
dieses tuch ist durchtränkt
von seiner anwesenheit

ein leichentuch deckt uns zu
mir ist warm
schlag das tuch zur seite

26.11.2002



Der Klang meiner Küsse


mein körper sucht die nähe deines körpers
so wie ein junger vogel die wärme im nest sucht
meine augen wollen sich ausruhen
in den achselhöhlen deines lebens
meine sinne wollen deine düfte atmen
und dir viel näher sein als irgendwann einmal
meine hände wollen über deine landschaft streichen
und alles entdecken
was im alltag schon vergessen wurde
sie wollen dich neu entdecken
und sie wollen dich halten
fester als es meine worte können
und alle schwüre sind nichts wert
gegen den klang meiner küsse
auf deiner wasseroberfläche
dem bach der leidenschaft

26.11.2002



halte dagegen


es ist nicht die angst
die in meinen gedärmen wütet
es ist die unwissenheit
die dummheit der gedanken
die mir zu den ohren rauskommen
und über die zunge
und dich so doch erreichen
und damit ins rollen bringen
was fest gewachsen schien

halte deine gedanken dagegen
und blockiere die lawine
die den berg unserer liebe
abzutragen droht

halte dagegen und wir werden
neuen schnee auf unseren berg
schneien lassen
werden die lawine festigen
so das sie nicht ins rutschen kommt
halte dagegen

26.11.2002



Das Herz schlägt weiter


Das Kammerflimmern unserer Beziehung
kann kein Stromstoß wieder
in den ruhigen Fluss
der Sinuskurven bringen,
kein EKG kann Gewissheit sein.
Und immer wieder leuchtet die
Rote „Alles-Zu-Spät“-Lampe,
die Ärzte bemühen sich,
aber der unregelmäßige Rhythmus bleibt.
Wir werden nicht mehr ganz gesund
Und ein Bypass leitet nur um.
Aber wir leben!
Und das Herz unserer Beziehung
Schlägt weiter,
ab und an mit Kammerflimmern,
aber ein Stromstoß kann es
halbwegs beruhigen.
Hauptsache es schlägt weiter.

26.11.2002



Fragen


Nimmt man im roten Meer ein Blutbad?
Und ist das tote Meer an Herzinfarkt gestorben?

Gibt es in der Wanne einen Rettungsring?
Und bin ich obendrein schon alt geworden?

Bin ich ergraut und merk es nicht?
Mach ich mir zu viele Sorgen?

Schreibe ich zuviel Gedichte?
Sind alle Worte schon verbraucht?

Ist das meine Lebenslaufgeschichte?
Hab ich zuviel im Strom der Zeit gewagt?

Hab ich, wann immer es mir nötig schien,
das richtige gesagt, das richtige getan?

Stell ich zu viele Fragen an mich selbst?
Fragen, deren Antwort keiner weiß?

Oder sind die Fragen längst beantwortet?
Seh ich den Wald vor Bäumen nicht?

Ich werd sie weiter stellen immer fort,
vielleicht bekomm ich einmal Antwort.

26.11.2002



der atem leise


ich hab da diesen ring
an dem du ziehst
an dem du hängst
und die erregung wächst in dir
bis du dich in leidenschaft verfängst
bis du dich hingibst
deiner lust
der feuchten warmen weichen
und wir im uferlosem ringen
das ufer dann erreichen

der ring liegt still
das blut läuft ruhig
der atem leise
die küsse schmecken etwas sauer
nach dieser waghalsigen reise

26.11.2002



deine küsse brannten mir


deine küsse brannten mir
wunden in mein schwaches fleisch
und deine art sich aufzubäumen
machte meine seele weich

28.11.2002



Ein Wanddurchbruch


ein Wanddurchbruch
nicht größer als ein Kinderherz
und flutet mit Licht
                das düstere Zimmer
                meiner röchelnden Tage
und flutet mit wohliger Wärme
meine Füße
die in Frostbeulen stecken
                in Frostbeulen
und an der Heizung erfroren sind
                und an dünnen Fäden
                an meinen Knöcheln hängen

Schaben
dicke braune Schaben
                               (das Licht von hinten macht ihnen einen
                                               Heiligenschein)
stecken neugierig ihre Fühler
durch die Öffnung
und dann auch in die Öffnungen
                meines Körpers

denn ich bin eingewoben
in ein dichtes Netz von Fantasien
die mich in dieses Zimmer drängten
mich Kerzenwachs auf
                meine Genitalien
                tropfen ließen
mich fast erstickten

die Schaben in mir
werden
                durch mich
dicker und brauner
und mit dem
                               letzten Atemzug
                               dem
                               letzten Wimpernschlag
sehe ich in das licht
hinter diesem
Wanddurchbruch

13.07.2003



Abrisshaus


das große Etwas
nie gesehen
                nur gespürt
                das es da ist
im
goldbemalten Abrisshaus
meiner Tage
                den Ofen einheizen
                und Kohlen nachlegen

Kohlen verdienen

Farben nachkaufen
dem
großen Etwas
einen Altar darmalen und beten

Pizza zum Abendmahl
und
drei Hektoliter Koka Kola

Koka oder Kola pflanzen
dem Himmel ein Stück näher
immer dichter dran
                am Weltgeschehen
                               ohne Sattelitenschüssel
                                               ohne Wohnungsschlüssel
und
                ohne Sinn und Verstand

verständlich das die Tage
auch im Ofen verbrennen könnten
ich würds nicht merken

alles übermalt
alles überlogen
                überzogen
mit Glanz mit Lack mit langer Weile

die Pizza ist kalt
die Gäste gegangen
die Kola getrunken

und das Abrisshaus neigt sich langsam nach links
im Staub zerfällt dieser Tag
so wie der Nächste
                und Übernächste
                               und Überübernächste
...

14.07.2003



Vergangene Zeiten


Die Wellen erbrechen sich
                ans Ufer
und in ihrem Inhalt
finden sich die Artefakte
längst vergangener
                Zeiten

Hörgeräte tauber Buckelwale,
Gehhilfen der quirligen Delfine,
Bruchbänder der Flusskrebse
und Anti-Parkinson-Pillen von
                Zitterrochen.

Vergangene Zeiten.

Nur in der Schwimmtherapie
liegt die Heilung von allem Übel!

                Geheilt!

Die Wellen sind geglättet
und nichts verpfuscht den Sand
mit Erbrochenem.

Außer ich
                   Kotzbrocken.

15.07.2003



Er ist hohl


Er ist hohl.
Hohl, wie ein Bambusrohr.
                Er wartet.
Darauf,
das er dich trifft.
                Er trifft dich.
                Du füllst ihn.
Mit deiner Liebe.
Mehr
und immer mehr.
Bis sie ihm bis zum Hals steht,
bis sie ihm zu den Ohren rauskommt.
                Er ist voll.
Voll mit deiner Liebe.
Er wird
                an ihr ersticken.

15.07.2003



Schlüssel


In meinen schwächsten Stunden,
wenn ich den Schlüssel
                für das Ende
                schon in der Hand halte,

krieche ich zum Kreuze
und muss enttäuscht feststellen,
das es nur zwei
                aufeinandergenagelte Holzbretter
sind.

Aber immerhin
habe ich auf dem Weg dahin
                den Schlüssel verloren.

15.07.2003



Jahr am Meer


Wenn das hier erst das Ufer ist,
wie weit muss ich dann laufen
um den Boden zu verlieren,
um endlich zu ersaufen?

Wann steht das Wasser mir am Hals?
Wann krieg ich keine Luft mehr?
Wann geht der nächste Tag zu Ende
in diesem Jahr am Meer?

Muss ich alle großen, grauen Wale
beim wahren Namen kennen?
Und macht es wirklich keinen Sinn
ins brennende Haus zu rennen?

Macht es Spaß sich auszuziehen,
bis auf die blanken Knochen,
das Süppchen auszulöffeln,
das wir uns täglich kochen?

Wenn das hier erst das Ufer ist,
sind es nur ein paar Schritte.
Die Sonne sinkt am Horizont
mitten in des Jahres Mitte.

Ein paar kurze Schritte weiter
und mir wird alles klar erklärt.
Alles macht jetzt endlich Sinn
und niemand ist verkehrt.

18.07.2003

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