Gedichte 1989 - Gefühlsduselei



nur wer mit dem kopf
durch die wand will,
wird irgendwo löcher
hinterlassen,
die an ihn erinnern




Ernsthafte Fragmente


vorraus

drum fliege kleiner vogel
dein gefieder ist längst trocken
und erbe den himmel wieder
erhebe dich und künde mir von deiner freien Welt

so will auch ich warten­
bis ich trocken bin – endlich hinter den ohren

um dir zu folgen,
aber fliege schon kleiner vogel
fliege schon




UND MIR WIRD DIE LUFT SO KNAPP,

als wenn jemand
mit großen händen
meine kehle schnürt,
wenn ich sehe was in der welt passiert
und es presst mir zu oft
die tränen
in die trüben augen,
von gleichgültigkeit grau,
weil ich weiß,
daß ich allein daran nicht
viel ändern kann - von hier aus.
von meinem außenseiterposten.
aber, ich will frei atmen können,
solang noch gelegenheit besteht.
ohne dieses gewissensstrick
um meinen hals gelegt
vom elend der fernen anderen.
Übergänge

risiko
            an
über - gängen
nicht
            zu verharren
            (sei es nun in einer schweigesekunde oder aus nach –
            ((vor-)) sicht)
-
über – gänge
            können.
            verhängnis
            flucht und
            rettung sein

-vieles mehr noch unbetont-

über
gänge machen geschichte
zur geschichte erzählen
geschichten leben
in geschichte

über
-gänge

in du-die welt der anderen
            über-gänge in- eine welt welten
            der weltlosen und überhaupt in eine WELT (?).

risiko
an
über-gängen -nichts zu versäumen-

(Geschichte)
(oder eine Welt((?))
nicht

stehen bleiben


beichtgeheimnis

komm nun du mein kuschelbär, teddy, sei bei mir. kennst mich noch? staub an deinen augen und ohren – laß ihn fliehn. ja, lang, lang und noch viel länger ist es her.

da, als ich dir meine großen und kleinen sünden abends vor dem einschlafen, keinesfalls ohne tränen in den augen (auch jetzt wieder), anvertraute. mit dir schlief und meine tränen etwas erleichtert in das kissen, ich seh es noch, weiß mit roten herzen, drückte.

            jetzt, heute will ich wieder meine beichte ablegen,
            erinnere mich wieder an deine bärenhaut, ans bärenfell und spüre ein verlangen, wieder dich in den armen –amen- zu halten, tränen in dich zu pressen und mit dir zu schlafen.

will mit dir reden, reden lassen und zuhören. will versuchen dich wieder zu entdecken – gewinnen als den freund in toten stunden eines aufgeweckten kinderlebens. will dich verstehen, so wie du ein

            beichtvater

bist, der stumm versteht zu trösten.


boeingträume

kehrschaufelblech
-düsenfliegerjumbojet-
            traum
hoch unter den wolken
tiefflugillusionen
            fallen
vom himmel
verpackt
in
plastiktütenplastiksprengstoff
ausreichend für
            285
personen plus (+) crew
um irgendwo im
umkreis von
            161
            (sprich: einhunderteinundsechzig)
kilometern
zu zerstreuen
um am schluß
von boeingillusionen
nur
kehrschaufelblechträume vom
massengrab
und kurzer zeitungsmeldung
als spuren
zu sichern


IRGENDWO IN DIESER WELT

irgendwo in dieser welt
wird soeben der körper
eines menschen von einer
kugel zerrissen

irgendwo in dieser welt
verhandeln die minister
für abrüstung und den
weltfrieden

irgendwo in dieser welt
verhungern menschen
weil sie die bräunende
sonne verfluchen

irgendwo in dieser welt
srirbt eine tierart aus
weil der mensch
sie begehrenswert findet

irgendwo in dieser welt
ertrinkt ein kind
weil es in das eis einbracht
das über den fluß sich breitete

irgendwo in dieser welt
regnet es unheimlich
weil sich ein wasserwerfer
einen weg bahnt

irgendwo...
soll frieden sein


NEBENAN DIE DRITTE WELT

all
alpha
alphabeet
alphabetttie
alphabetisierr
alphabetisierung
alphabetisirungskampagne

hunger, wohlstand, alphabet,
not, elend und das
schreien der möwen
über den kadavern ewigkeit
dritte welt das a und o

uns heute den wanst voll schlagen
lärmend klares quellwasser saufen
und
keinen gedanken verschwenden
es könnte der einzige sein
dritte welt

in der sonne sonst sonnt sich nie
das spindeldürre schwarze kind
dritte welt wie nah
doch schon nebenan

(ich las in der zeitung einen artikel über die momentane lage der schwarzen südafrikaner und über menschenrechte in südafrika)


...

in querrichtung
            verläuft meine heimat
in längstrichtung
            verläuft die grenze
wo
also sind nun meine ehrlichen finder


GROSSVATERS ERINNERUNG

der braune vorkriegs-schaukelstuhl knarrt,
genau wie vor achtzig jahren.
aus der pfeife steigt rauch.
ja, großvater lebt noch.
geschafft.
die latschen verstecken die füße.
alte partisanen!
die füße mit den beiden zehen,
die irgendwo in rußland blieben,
abgeschossen – sagt er.
in paris war er nicht,
aber moskau kennt er wie die
tasche seiner weste,
sagt er, er sagt auch:
trotz der trümmer waren die mädchen warm.
im krieg? ja.
pariser kennt er auch.
der schaukelstuhl knarrt noch,
wie achtundvierzig,
aber da ging der volksempfänger schon nicht mehr.
wie achtundvierzig, als er wieder zu hause war,
drinnen saß und die presse förmlich fraß.
aus der pfeife steigt rauch.
ja, geschafft haben wir vieles.


BLITZGEDANKE

DA plötzlich zerreißt
die MAUER
die unruhige Stille
in meinem Kopf

groß grau und ewig
steht sie zwischen all
meinen wüsten gedanken
mitten durch meinen kopf

schmerzhaft und wehrhaft
groß und unheilvoll
ewig und beständig
die große sicherheit

einmal aber werde ich beginnen
denn es ist zeit sich zu besinnen
mauern aus dem kopf zu reißen
um die wahrheit zu begreifen



LANDEINWÄRTS

vorwärts vorwärts
immer nur immer geradeaus
zurücksehen sollte man nicht und nie
könnte grenzenloser theoretiker werden
immer wieder vorwärts immer weiter
zu ganz neuen wunderbaren taten
tatenlos nie zusehen
immer diese eine richtung
immer gradheraus
immer dieser eklig rote teppich ausgerollt
landeinwärts lang zu fliehn
nur diese schwarzrotgoldnen zotteln
ringsherum lassen erahnen was uns treibt
immer vorwärts neue und bessere doch
immer wieder auf dem weg der
landeinwärts ein
trampelpfad der ahnen zu sein scheint
stolpre nicht nimm dich in acht und
achte auf den weg


MATINEÈ

viel zu spät
am abend vorher das bett erobert
viel zu früh
heut aufgestanden
aber pflichterfüllt und unhaltsam
            lasse die sonne auf mich

stehe im bad
höre den
            populärenfeindsenderriaszwei
und
putze zähne wasche körper und
jeden tag das gleiche
warum auch nicht
-
gestärkt und wohl endlich
                                   erwacht

mache ich mich für den tag bereit
empfange ihn ja wieder prächtig
-
los geht’s und blick zur uhr
tag
            du kannst kommen


anders – leider – sein

streben nur nach dem höchsten – karrierist
vergessen wollen all das schlechte not und leid
versuchen politik zu künsteln
                                               ohne gewissen
freunde auszusuchen geld gedruckt
leben vor sich hin und her
-          geschwächte
bettnässerkarriere
im nobelauto schlafen und das
                                               eigen(e)heim
vergessen
das kann doch nicht das leben sein


DREIBEINIGER VERGLEICH VON FLASCHE UND MENSCH

1.         dreibeiniger tisch
            zwei stühle
leere flaschen suchen halt
rollen um klebrige gläser
lallende worte
            umringen
            frohsinn und heiterkeit
-
achtunddreizigprozentiges labyrint
            zu umgehen
            um irgendwann in ihm ein grab zu
            schaufeln für
all
            die leeren flaschen und klebrigen gläser

2.            in frohsinn und heiterkeit
beherrschen achtunddreizig
prozent von all den leeren
flaschen und glä-
sern – lallende worte. eh.
-
mensch.
flasche. – mensch, flasche, glas...
flasche = mensch
leere flasche = leerer mensch
glas = maßeinheit lallend interpretiert

3.
leere flaschen
= leere, lallende unnatürlich
            frohsinnig und heitere menschen

4. das leben rauscht im rausch dahin

5. – ohne flaschenpfand


ICH ÜBER UNS

wer wäre – ist – uns?
alle!
            sind´s
            eingeschlossen mich!
wir
sind eine gemeinschaft
            und eine gemeinschaft
von gleichen individuen              (menschen?)
müsste
            zu-sammen-halten
wie,
            wie,
                        wie,
wie ein stück großer gelber käse –

doch, was wenn der käse löcher hat?
ist dann noch eine gewisse, lebenswichtige
stabilität gewährleistet, oder wird er un-
weigerlich zerfressen werden von den
                                                           mäusen?
der gesellschaft!
und
darüber mache ich mir gedanken
darum sitze ich hier und vergewaltige die
            tasten – übrigens – ergebnislos
sitze allein über uns




(November ´88 / Januar `89, nach einem Grundmotiv, frei nach Kai-Uwe Krause)


MEINE GEWOHNHEIT

sitze vor der schreibmaschine
starre in die bücher
lese wieder und wieder die gleichen namen
öffne immer die gleichen absender
liebe seit jahren die selbe musik
und küsse täglich das gleiche mädchen

schlafe (meistens) im gleichen bett
und trinke den kaffee aus meiner tasse
schneide mit meinem messer
und kämme mit meinem alten kamm
rühre mit meinen worten in diskussionen
lebe immer wieder

schreibe wieder meine gedichte
und entdecke meine zitate in meinen briefen
hole mir meine freunde
und schlafe mit meinem mädchen
meistens leben ich mein leben
bin ich schon so daran gewöhnt


KEHRE DICH AB

kehre dich ab
von der sonne wie auch von mir
wenngleich wir ewig stehen
verlasse das wolkensilo
kehre dich ab und kehre zurück
verlerne ihre sprache
beginne zu sehen
wische dir die augen die trüben
reinige deine sünden den abschaum
vergiß nicht zu denken
kehre dich ab und geh
geh heimwärts altes haus
in neue täler neue berge
neue zeiten und neue welten
neue heimat kehre dich zum guten
von der sonne gleich auch mir


GEDANKEN ÜBERHAUPT UND SOZUSAGEN


MISS-brauch

Habe bei der
VERKEHRSkontrolle
eine
            V E R W A R N U N G
erhalten, weil ich dem
                        Pegasus
die Flügel frisierte,
stutzte
um ihn meinen
            w o r t e n
entSPRECHEND
gefügig zu machen.


Und die Sonne nie erreichen

will mich in die lüfte erheben
denken ich wäre ikarus
will auf das wachs vertrauen
und die sonne nie erreichen

-

will von weit oben sehen
dieses dorf und jene stadt
könnte vergessen das ich fliege
und die sonne nie erreichen

-

will mich wieder heimwärts wenden
deine hand an meinen wangen spüren
werde vergessen das ich lebe
und die sonne nie erreichen


ZU SEIN WIE SIE

Renne hinter Idealen her.
Setze meine kleinen Schritte in
Ihre Fußstapfen und
Denke doch tatsächlich ich

Könnte sein wie sie.
Falle auf die Schnauze.
Erhebe mich in andere Welten
Und vergesse glatt, das

Meine Schritte zu klein sind
Für Siebenmeilenstiefel.
Steige auf dem Absatz empor;
Schritt für Schritt und Stück für Stück.

Da bröckelt etwas ab von meinem Ziel.
Verliere die Ideale aus den Augen
Aus dem Sinn
Und denke nicht daran irgendwann

Zu sein wie sie.


„Bleibe nur einen Tag. Komme Sonnabend. Gruß Deine U.“

ÜBER KURZ ODER LANG

(ich hatte dich fast vergessen.
weißt du noch...?)


du magst dein ei immer noch vier minuten
und den toast nicht zu schwarz
immer noch am liebsten erbeermarmelade
und nach wie vor schwarzer kaffee

letzte nacht warst du so wie früher
genauso weich lieb und schnell bei der sache
über unter neben mit mir spürte ich wieder
die gleichen hände die damals mich erhitzten

die gleichen lippen nur neuer lippenstift
neue schuhe und einen neuen job
früher warst du kassiererin in einer drogerie
da warst du wie eine droge für mich

heute noch schmierst du deinen toast von oben nach unten
heute noch lachst du mir zu und mit mir über unsere dummheit
ich räume die leeren flaschen weg und du duscht dich kalt
heute noch wirst du gehen und ich trage dir deinen schweren koffer


BOHRENDE FRAGE OHNE ANTWORT MEINER SELBST

in unserer straße gibt es keinen bäckerladen
keine drogerie, keinen friseur und keine
            kolonialwarenhandlung.
keine hinterhofatmosphäre und pferdegetrappel.
keine mädchen spielen, bundgezopft, gummihopse.
das war einmal und ist nicht hier.

wenn ich aus dem fenster sehe,
dann erinnert nichts an
            romantik und nostalgie.
dann sehe ich hochhäuser,
höre straßenlärm und spüre den dreck der
            g r o s s s t a d t
förmlich in mir.
fühle kaum noch natur. wo auch?
kann
            mich nur mit mühe aus den neurosen retten
            und fliehe in meine kleine welt,
            die schützend mich umgibt.

schreibe gedichte und briefe.
kann
            ich in dieser fatalen umwelt klare gedanken
            fassen, ohne dabei in kitsch oder blödsinn
            zu verfallen? aber,
            habe ich mir die freiheit bewahrt ICH zu
                        sein?
ich
            kann
weder noch?!.-


Er ging

Deine Fingernägel sind schon wieder abgekaut.
Reg dich nicht auf sagst du.
Und meinst es ganz anders.
Es wird schon wieder werden.

Mache es dir nicht zu schwer.
Trink! Den Kaffee nicht zu schwarz.
Und kau nicht an den Fingernägeln...

Vergiß ihn – versuche es.
Reg dich nicht auf.
Es wird schon wieder werden.
Sage ich.


VERLIERE EINEN MUT 

und bin bloßgestellt.
durchquere nackt ein reich der toten.
verfluche einen traum und erwarte rettung.
trete auf und ab und auf die füsse.
vergleiche mich mit deinem blick.
überspringe deinen schatten und sehe nicht hin.
verliere den mut und auch den halt.
gehe dennoch meine eigenen wege.


HEUTE

Hei, heute ist wieder so ein Tag,
an dem mir die Weltliteratur so nah ist
            wie sonst nie.
Heute erkläre ich mich bereit
den HAMLET zu spielen,
und diesen ewig langen Text zu lernen.
Heute behaupte ich, dass
nichts los sei im Staate Dänemark!
Aber: Hier ist ja auch nichts los!
Trübe Stimmung.
„Ich hab es satt. Ich möchte weg sein; bloß,
noch liebe ich – und das lässt mich nicht los!“


SELBSTERHALTUNG I

reiße die bilder von den wänden meines zimmers.
nieder mit den stars!
will nun die ewig erscheinende kindheit beschließen.
neu daran kommen:      autos,
                                   nackte frauen &
                                               sonnenuntergänge
                                   und
                                   ein bild von mir und
                                               dir.

ich lese jetzt bücher von            heine,
                                               goehte,
                                               lenin
                                               und auch ma(r)x.
und:     ich rauche nicht mehr,
            aber natürlich auch nicht weniger.
trinke hin und wieder bier.
nun bin ich endlich erwachsen!
-
nur, eines werde ich nicht los: die träume.
die erinnerungen an meine kinderzeit.
die hoffnung auf eine sorgenfreie zukunft.
und auf den frieden, wo immer er sein mag.
ich denke an dich und bin endlich erwachsen.
ich beschließe heute endgültig die kinder-
            zeit und werde erwachsen, alles was war
            ist vergessen.

ich kenne dich fast zwei jahre...


NOCH NICHT DARAUS GELERNT

verbrenne mir immer noch die finger
an heißen öfen und offenen flammen
-
verstecke immer noch hinterm berg
meine eigene meinung in den worten


Auszug aus einem Tagebuch
(...)

heute war wieder so ein tag, an dem ich nicht wusste, wie ich mich entscheiden sollte. an dem ich überhaupt nicht wusste, was ich denn machen sollte.

seit längerem schon gefällt mir das mädchen aus der parallelklasse, aber ich weiß nicht, was ich machen muß um mit ihr zu gehen. ich finde doch ihr langes blondes haar so schön und in ihren augen da sehe ich so viel und sie ist so schön.

manchmal denke ich ich liebe sie. wie lerne ich sie nur kennen? ob sie wohl weiß das ich sie gern habe?

ich habe vorige woche schon mit m. darüber gesprochen und er hat gesagt ich soll einfach hingehen und sie küssen. das finde ich aber bekloppt, weil ich mich das nie trauen würde. obwohl, so blöd ist das gar nicht...

heute aber hat sie mich angelacht!

sie lief an mir vorbei, auf dem schulhof, sah mich und lächelte. und dann kicherte sie. vielleicht hat sie gemerkt, das ich sie ansah. na klar. o man, war ich froh als sie mich anlachte. ich glaube, jetzt kann ich es bei ihr versuchen. jetzt weiß ich das sie mich liebt!

aber erst mal schlafe ich. morgen hat sie die ersten beiden stunden sport und dann deutsch. hoffentlich sehen wir uns. ach.


ES REGNET

ich zünde uns eine kerze an
und schenke den heißen tee ein.
düster ist es draußen und naß
und wir sitzen uns gegenüber
haben zeit füreinander da zu sein
reden über dies und das und
können wieder richtig zärtlich sein.
was sonst im alltag auf der strecke bleibt.
warum? wir sind doch noch so jung.
viel zu selten sind solche stunden
mit dir bei mir, wenn

es regnet


suche dich

laufe  lange straßen  lang
stehe in kaputten räumen
rufe   die   blöden   worte
sehe  diese   scheissbilder
verwechsle   traum    und
                     wirklichkeit
komm                    zurück


FLAMMEN LODERN AUF!

flammen umzüngeln sehnend
und begierig wissend
diese ewig alten briefe
erinnerungen gewiß
doch zeitlos nur auf dem papier
nie endend im kopf
briefe unbedeutend nur
erinnerungen einer alten zeit
flammen ergreifen
nicht das das kommen wird
verbrennen nicht den weg
bahnen mir die zuversicht
verbrennen meine finger
schmerzhafte leere


SOS

sieh: das segel ist
                        gesetz-t
das schiff
            gigantisch unerreichbar
es bäumt
            sich auf
                        und
                        ab
am bug schäumt schon die gischt
die see ist
            will-d
der sturm er tobt
                        und wütet
regen
            und feuerheiß strömt es ein
mach die
            sehnsucht und die
                                   ... weit
auseinander wollen wir nicht gehen
und las wie immer schon das
                                               schiff
            in deinen
hafen
zum ankerwerfen ist es zeit


frühling

der kachelofen mit diesen
hässlich grün-gelben kacheln
wärmt nicht mehr
kalte graue asche glimmt nicht nach
nur hin und wieder
bei einem leichten luftzug
scheint mir die glut ein letztes mal
aufzuatmen

die fensterscheiben tragen
keine reichverzierten bläulichkalten
eisblumen mehr und sind
verschmiert – warum auch immer – mit dem
dreck den die ersten
frühlingsvögel mit sich brachten

auch die blumen kehren endlich heim
stecken und quälen ihre müden erkalteten häupter
wie götter zum rapport durch die zarte
winterfeste haut dieser frühlingssonnen
reifen welt
sie werden kurz nur frühlingsblüher sein

und meine wenigkeit atmet auf und
träumt von einem sommer an der südlichen see
werde kurz nur träumen können denn die
realität pocht mit rotgefrorenen fingern
an die fenster meiner wintereinsamkeit
oh deine nase ist ganz rotgefroren


KLEINE BLUME

kleine blume, strecke dich
und erhasche das wärmende licht
kleine blume bewege dich
leicht im wind der weht
kleine blume, sieh dich um
erblicke die welt, suche die blumen neben dir
kleine blume gebe acht und breche nicht
unter der last schwerer schwarzer stiefel


BIG TIME

jung und glatt
und eben mir zu gehören
will ich regieren
und über dich und dein reich
einen ausbeutungskrieg führen
will dir dein
gnadenloser könig sein
in dieser
unbewegten nacht
die ausgangssperre verhängen
und jung und glatt
will ich dich machen
in ketten legen und
immer nur nach dir mich sehnen um
mich umdrehen
im kreise laufen sehnsuchtsgeil
dich nur einfließen
lassen in mein land
um meine bäume zu fällen
lass mich dich regieren


WENN NICHTS BLEIBT

wenn nichts bleibt
von dir
von unserer liebe
und von unserem leisen
frühlingsgefühl
                        dann wird es zeit
                        zu bekennen
                        das jeder seinen weg
                        zu gehen hat
nichts geht zu halten
alles geht vorbei
und
nichts ist für immer


VERGISS NICHT, 

mich zu küssen
wenn wir vergessen am bahnsteig stehen.

vergiß auch nicht, dein letzter gedanke
sollte mir gelten.

und vergiß nicht, dass wir allein
nur füreinander da sind.


GEFÜHLSDUSELEI


HERZ AUF DEINER BRUST I

wollte gerade wieder     eines dieser langweiligen
                                   liebesgedichte, jedenfalls
                                   nenne ich sie so, schreiben
                                   um mich später an die
                                   schöne zeit zu erinnern.
warum, hingegen dem geplanten,           warum also tue
                                                           ich es nicht
                                                           ?
-
habe ich angst,  damit ich wieder etwas schreiben
                        könnte, dass nicht gut ankommt,
                        weil es schmalz ist?
oder habe ich gar plötzlich angst davor, meine
                        gefühle zu veröffentlichen?
der wahrheit, und sei sie nicht von mir und
                        noch so simpel, ins gesicht zu
                        sehen                           ?
-
ich habe wohl angst, zu sehr ins tagebuchimage
abzudriften                   und zu persönlich zu wer-
den, meiner                  ganz innigsten linie zu
folgen.
aber,
ich werde dennoch schreiben, was mir gefällt
um es dem leser anzubieten.
also werde ich mehr für mich schreiben und den
leser erst als zweites berücksichtigen, denn er
muß nehmen was er bekommt, und wenn er das be-
kommt, was er wollte, dann überschneiden sich
unsere gedanken und gefühle, und ich habe als
schreibender das erreicht, was ziel jedes schrei-
benden sein sollte: ich habe den leser beeinflusst
und zum nachdenken angeregt.
aber, regt mich der (x-beliebige) leser zu nach-
denken an? wie selten.


LASS MICH IN DICH DRINGEN

und sich meinen leib
dir zugetan
hinunter in den krater der lava gleich
auszubrennen an der welt
sterbensferne engelshaut
zu dir hinunter auf den grund
perlensuchend strömen
-
luftige geheimnisse steigen
hilfesuchend himmelhochjauchzend auf
und ich laß mich in dich
um der welt zu entfliehn
zu vergehen an der gesündigten liebe
mir und dir gut zu begegnen
zu vergeben
laß mich in dich dringen


spiele auf mir

spiele
auf mir
wie auf einer harfe
spiele
das ewig junge lied
von der
liebe
die zwischen jedem ton
nachhallt
und die in keiner komposition
zu unvergleichlich ist
wie du
spiele
auf mir
wie auf einer harfe
das liebeslied das wir uns
dichten um zu lieben
aber
spiele
nicht mit mir


vermisst

fühle mit der kalten hand
den kleinen freund
träume mir die unendlichkeit
und kann das helle licht nicht ertragen
sticke an der angst
fühle mit der hand schon
nach dem hunger und nach immer mehr
und vergesse fast
das du wiederkommen wirst


HERZ AUF DEINER BRUST II

beginne nun
den lippenstift zielgerichtet
zu verwischen
weil ich es mir so vornahm
bevor ich mit deinem
-sichtlich teurem-
lippenstift auf deine brust
dieses kitschige herz male
das mir so nichts bedeutet
bis ich auf die idee kam
daraus kunst zu machen
du lachst
und es zu verwischen begann
du liest es dir gefallen
warum nur male ich auf deiner brust
um kunst zu machen
oder um dir die liebe zu beweisen
muß ich dafür herzen auf brüste
malen


SPÜRE DEIN BILD NOCH 

und seh
deine brüste noch neben mir gepaart
greife nach deiner hand
die nie jemand vor mir fassen durfte
küsse deinen körper
den vor mir keiner küssen durfte
und ich liebe dich
denn du liebst mich wie
mich noch keine vorher liebte

(für J.)


im sommer. nachmittags.

zähle die grashalme neben mir.
pflücke diese blume,
die wohl löwenzahn sein muß.
stecke sie dir ins haar
und du saugst sonne in dich.


viel wichtiger

immer noch nackt – mir ist kühl
stehe ich wie angewurzelt und
sehe durch die beschlagenen scheiben
der fenster in die weite
der stadt zwar nur
bis zum nächsten häuserblock
viel sehe ich nicht vom himmelblau
aber ich weiß das du da bist
und das ist wichtiger und ich
vergesse den himmel und die stadt darunter


STAUB IN DEN AUGEN

kann die träne kaum zurückhalten
die dicht zu halten sucht
und wische mir den staub in die augen
um dich nicht zu sehen
und zu vergessen was mir
der tränen staub zu bedeuten scheint
wenn du nun gehst
bedeutets immer das verlangen den
staub des endlostages zu schlucken
mit der träne im auge zu dir zu gelangen
und beruhigend auf dich einzugehen
und dennoch die hoffnung
die nun mit dir davon geht
nicht genug kraft in mir den
staub zu lassen und der träne einen
weg zu dir zu bahnen
der einem abschied würdig erscheint


AN DIE EWIGE

ferne gleich der nähe.
liebe gleicht dem hass.
sterben ist wie auferstehen.
leben ist wie regen.
und geben heißt nehmen.
ewige, du, die ich begehre
vergleiche nie:
wie ich so auch er,
der, dem du beichtetest,
der dein geheimnis zu dem machte,
was es heute ist.
der dich verewigte.
ewige, du, die ich begehre.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen